Dienstag, 31. Juli 2012

Ausgelesen - Reiner Kunze: Die wunderbaren Jahre

Neugierig geworden durch den Text "Fünfzehn", der sich inzwischen in mehreren Schulbüchern wiederfindet, habe ich mir das Buch zu dem Text, "Die wunderbaren Jahre" von Reiner Kunze, besorgt und die Ferien genutzt, um es in Ruhe zu lesen.
Es handelt sich um eine Prosa-Textsammlung, die 1975 von Kunze, damals noch Bürger der DDR, geschrieben worden ist. Als Reaktion ist er aus dem Schriftstellerverband der DDR geworfen worden und schließlich in den Westen ausgewandert. Und was steht in diesem Buch, dass es den Autor für die DDR so bekämpfenswert macht? Mir scheint: die Wahrheit, und zwar die Wahrheit über die Lebensbedinungen der Jugend in der DDR, wenn sie auf der Suche nach ebenderselben war - der Wahrheit. Die Auseinandersetzung mit dem System im Kleinen und die Reaktionen des Systems im Großen. Viele gute Texte, einige sehr tauglich, um mit der heutigen Jugend besprochen zu werden - egal ob im Geschichts- oder im Deutschunterricht. Zeigen sie doch, von Kunze wohl in vielen Gesprächen errungen, die Suche der Jugend nach ihren Idealen in der Auseinandersetzung mit einem autoritären System, im zweiten Teil insbesondere nach dem Aufstand in Prag 1968.

Nicht jeder der enthaltenen Texte lässt fällt bei mir auf fruchtbaren Boden, doch viele berühren tief und geben ein Bild davon, wie gut wir es heute eigentlich haben, wie anders unser Leben ist - und wie anderes die Voraussetzungen eigentlich sind. Viele gute Texte finden sich in diesem Buch, das in einer erfrischend klaren Sprache geschrieben ist " "Marcuse? Du hast ein Buch von Marcuse?" (S. 51) Die Verwechslung zwischen Herbert und Ludwig Marcuse muss erst aufgelöst werden - als sie hört, dass es nicht um den Revolutionär geht, sondern "darum, was den Menschen zum Menschen macht" (S.51), hat sie kein Interesse mehr an dem Werk. So werden wird immer wieder in ganz lakonischer Weise das autoritäre System im Denken und Handeln entlarvt.

Besonders beschäftigt hat mich ein Gedanke Einsteins, der als Reaktion auf die Frage "Angenommen [...] du könntest jetzt ein Flugblatt machen" (S. 52) eine von fünf Versionen :
"Jeden Tag denke ich daran, daß mein äußeres und inneres Leben auf der Arbeit der jetzt lebenden sowie schon verstorbenen Menschen beruht, daß ich mich anstrengen muß, um zu geben, im gleichen Ausmaß, wie ich emfpangen habe und empfange." (S. 54)
Bestimmt ist dieser Gedanke diskussionswürdig - aber gerade das macht ihn auch interessant.

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