Mittwoch, 7. Mai 2014

Ausgelesen - Rachel Jyoce: Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry

Eigentlich bin ich mit Vorbehalten an den Roman gegangen - Pilgerreisen und all die wunderbaren Dinge, die dabei geschehen, können mich meist nur wenig begeistern - und Geschichten, in denen ein alter Herr durch England laufen, erschienen mir zunächst nicht als der Olymp der literarischen Unterhaltung. Aber der Roman war wesentlich besser, als die Erwartungen, die ich hatte. Das liegt daran, dass er wesentlich tiefschichtiger erzählt, als ich ursprünglich befürchtete, und dass er das Spannungsfeld zwischen dem Harold Fry und seiner Umwelt, sei es seine Frau, sein Sohn David, Queenie, eine ehemalige Kollegin, oder seien es die zwischenzeitlichen Mitläufer, glaubwürdig und sinnig entwickelt und sich entwickeln lässt. Außerdem zeigt er in meinen Augen Züge eines sinnvollen Entwicklungsromans(was mich eigentlich immer interessiert). Also insgesamt ein lesenswertes Buch, das gute Impulse gibt.

Sonntag, 21. Juli 2013

Ausgelesen - Petros Markaris: „Zahltag: Ein Fall für Kostas Charitos“

Eins vorweg: Ich mag Literatur, bei der ich den Eindruck bekomme, dass sie mir auch das Land zeigt, von dem sie erzählt. gtBesonders spannend und interessant finde ich es dabei, einen Einblick in die gegenwärtige Verfassung eines Landes, einer Stadt zu bekommen. Wo Orhan Pamuks "Museum der Unschuld" mir einen intensiven und ganze neuen Eindruck des heutigen (oder gestrigen - es entwickelt sich da ja gerade eine Menge) Istanbul und seiner Menschen gegeben hat, so leistet das der Krimi "Zahltag" für Athen, für Griechenland.
Die Krise in Griechenland bestimmt den Roman, und zwar sowohl das bestimmende Verbrechen, dass ein selbsternannter Steuereintreiber Männer umbringt, die in großem Stil Steuer hinterzogen, wie auch das persönliche Leben des Kommissars und seiner Familie, die zeigt, wie gut qualifizierte Jugendliche abwandern wollen, weil sie keine Perspektive in Griechenland haben.
Der Krimi ist gut geschrieben, die Mischung aus Dienst- und Privatleben zeigt sehr persönlich, wie die Menschen in Griechenland ihre Lage leben und erleben - mit dem hat Markaris eine wirklich interessante Persönlichkeit entwickelt - ein Krimi, der sich gelohnt hat.

Mittwoch, 29. Mai 2013

Ausgelesen - Martin Walker: Bruno, Chef de Police

Momentan habe ich eine kleine Krimirunde in meine Leseliste eingefügt und habe einen Gutschein dazu genutzt, mir neue Krimis anzulesen. Martin Walker ist mit seiner Bruno-Serie gerade weit oben in den Beststeller-Listen, deswegen war ich sehr neugierig auf diese Krimis und habe mir den ersten der Reihe zu Gemüte geführt.

Bruno, Kriegsveteran und Vertreter der Police municipale in einem kleinen Dorf in der schönen französischen Provinz, ist ein liebenswürdiger Mensch, der so lebt, wie man sich das Leben in der französischen Provinz (beschrieben von einem Engländer) vorstellt: Gutes Essen, charmanter und lausbübischer Kampf gegen die Inspektoren aus Paris, die die Umsetzung von Brüsseler-EU-Verwaltungs-Spitzen gegen die örtliche Hausmannskost überwachen sollen. Als ein Mord an einem Mitbürger marokkanischer Herkunft geschieht und obendrein Nazi-Symbole eine große Rolle spielen, kommt der kleine Ort ganz groß raus - mit allem was dazu gehört, Presse und nationaler Politik-Präsenz. Doch der sympathische, in der Hierarchie weit unten und der Sympathie weit oben stehende Bruno ist der einzige, der den Überblick vor Ort wo nicht behält, so doch zurück gewinnt und im richtigen Moment auch Fünfe 'mal gerade sein lassen kann.

Ein Roman wie die Gegend, in der er spielt. Charmant, beschaulich, von einem Humor, wie ich ihn aus französischer Jugendliteratur à la „Der kleine Nick“ kenne, gut zu lesen, einige kulinarische, hungermachende Exkurse. Für den kommenden Urlaub organisiere ich mir gerade die weiteren Bände.

Sonntag, 14. Oktober 2012

Etwas anderes - XMind

Im Referendariat wurde ich das erste Mal mit Mindmapping konfrontiert und fand es gleich ziemlich gut. Nachdem wir dort den MindManager näher gebracht bekamen, bin ich später auf FreeMind umgestiegen (wenn ich nicht Bleistift und Papier verwendet habe, altmodisch wie ich bin) - heute habe ich einem schlauen Buch über Joomla (auch nicht schlecht) von XMind gelesen(http.//xmind.com) - und fange es gerade an, auszuprobieren - hoffentlich werde ich den kommenden Tagen mehr dazu sagen können - nun stürze ich mich ins Werk!

Mittwoch, 8. August 2012

Ausgelesen - Joseph Roth: Hiob

Getrieben von dem Gedanken, was die Kulusbehörde zum Abitur vorschreibt, kann nicht so schlecht sein - und vom Schwärmen einer ehemaligen Abiturientin aus Baden-Württemberg, wo dieser Roman vor vielen Jahren auch bereits Pflichtlektüre im Zentralabitur war, habe ich mir den "Hiob" vorgenommen.
Kurz zum Inhalt: Der Jude Mendel Singer und seine Familie leben im zaristischen Russland zu Beginn des 20igsten Jahrhunderts. Der jüngste Sohn Menuchim kommt zwar krank zur Welt, doch sagt ein Rabbi Deborah, der Frau Mendels und Mutter Menuchims, voraus, dass er gesund werde, wenn sie ihn bei sich behalte. So wird es eine schwere Entscheidung, ohne Menuchim nach Amerika auszuwandern und einem der Söhne, der vor dem Militärdienst dorthin geflohen ist, zu folgen, nachdem der andere Sohn mit Freuden zum russischen Militär gegangen ist. Da jedoch Mirjam, die Tochter des Hauses, nicht ohne Männer, hier ohne Kosaken, kann, fällt der Entschluss, auch nach New York zu gehen und den kranken Sohn in gute Pflege zurückzulassen. In den USA scheint alles glücklich zu werden, bis Sam (eigentlich Schemarjah, der Sohn Mendels) für die USA in den Krieg zieht und dort fällt: Seine Mutter stirbt vor Kummer, Mirjam wird verrückt, Mendel hadert mit Gott (eine schöne, vielleicht fruchtbare Parallele zu "Schlafes Bruder"? Der allerdings später erschienen ist.), doch da taucht nicht nur neue Nachricht aus der alten Welt auf, nein, ein begnadeter Musiker ist mehr als nur das.

Anfangs fand ich den Roman etwas zäh, aber man liest sich ein und lässt sich in die kleine jüdische Welt erst Russlands dann des wachsenden New York aus Sicht des Mendel Singer entführen - sehr liebenswert und damit letztlich auch lesenswert geschrieben - und von einigem literarischen Gehalt. So wird mir schon nachvollziehbar, weshalb dieser Roman es jetzt zum wiederholten Male zur Pflichtlektüre für Deutschkurse schafft, aber mich lockt es nicht, in freiwillig mit den Schülern zu lesen - bislang jedenfalls nicht.

Dienstag, 31. Juli 2012

Ausgelesen - Reiner Kunze: Die wunderbaren Jahre

Neugierig geworden durch den Text "Fünfzehn", der sich inzwischen in mehreren Schulbüchern wiederfindet, habe ich mir das Buch zu dem Text, "Die wunderbaren Jahre" von Reiner Kunze, besorgt und die Ferien genutzt, um es in Ruhe zu lesen.
Es handelt sich um eine Prosa-Textsammlung, die 1975 von Kunze, damals noch Bürger der DDR, geschrieben worden ist. Als Reaktion ist er aus dem Schriftstellerverband der DDR geworfen worden und schließlich in den Westen ausgewandert. Und was steht in diesem Buch, dass es den Autor für die DDR so bekämpfenswert macht? Mir scheint: die Wahrheit, und zwar die Wahrheit über die Lebensbedinungen der Jugend in der DDR, wenn sie auf der Suche nach ebenderselben war - der Wahrheit. Die Auseinandersetzung mit dem System im Kleinen und die Reaktionen des Systems im Großen. Viele gute Texte, einige sehr tauglich, um mit der heutigen Jugend besprochen zu werden - egal ob im Geschichts- oder im Deutschunterricht. Zeigen sie doch, von Kunze wohl in vielen Gesprächen errungen, die Suche der Jugend nach ihren Idealen in der Auseinandersetzung mit einem autoritären System, im zweiten Teil insbesondere nach dem Aufstand in Prag 1968.

Nicht jeder der enthaltenen Texte lässt fällt bei mir auf fruchtbaren Boden, doch viele berühren tief und geben ein Bild davon, wie gut wir es heute eigentlich haben, wie anders unser Leben ist - und wie anderes die Voraussetzungen eigentlich sind. Viele gute Texte finden sich in diesem Buch, das in einer erfrischend klaren Sprache geschrieben ist " "Marcuse? Du hast ein Buch von Marcuse?" (S. 51) Die Verwechslung zwischen Herbert und Ludwig Marcuse muss erst aufgelöst werden - als sie hört, dass es nicht um den Revolutionär geht, sondern "darum, was den Menschen zum Menschen macht" (S.51), hat sie kein Interesse mehr an dem Werk. So werden wird immer wieder in ganz lakonischer Weise das autoritäre System im Denken und Handeln entlarvt.

Besonders beschäftigt hat mich ein Gedanke Einsteins, der als Reaktion auf die Frage "Angenommen [...] du könntest jetzt ein Flugblatt machen" (S. 52) eine von fünf Versionen :
"Jeden Tag denke ich daran, daß mein äußeres und inneres Leben auf der Arbeit der jetzt lebenden sowie schon verstorbenen Menschen beruht, daß ich mich anstrengen muß, um zu geben, im gleichen Ausmaß, wie ich emfpangen habe und empfange." (S. 54)
Bestimmt ist dieser Gedanke diskussionswürdig - aber gerade das macht ihn auch interessant.

Samstag, 28. Juli 2012

Interviews - allgemein und in der SZ im Besonderen

Eigentlich dachte ich einmal, ich sei ein großer Freund von Interviews. Was kann es schöneres geben, als an spannenden Gesprächen zwischen Menschen teilzuhaben. Doch scheinen in vielen Fällen meine Meinung, was interessant ist, und die Meinung der Gesprächspartner nicht übereinzustimmen. Mich interessiert wenig, wer was gemacht hat oder wer wen oder welchen Trend wie findet. Mich interessiert eher, was dahinter steckt, warum man etwas tut, was einem Sinn gibt, was jemandem warum wichtig ist - was an ihm menschlich ist.
Inzwischen lasse ich also meistens die Interviews beim Lesen aus. Eine Ausnahme bilden zum einen Themen, die mich interessieren und die in den Interviews verhandelt werden - und die Interviews, die wöchentlich in der Wochendbeilage der Süddeutschen erscheinen (meist). Warum? Weil diese Interviews eigentlich immer auf das, was den Menschen in seinem Tun bewegt, eingehen und davon einen Eindruck geben, was den Menschen Sinn macht. Das zeigt sich oft bereit in ihrem Titel, wie "Angst", "Wut" oder wie heute "Rebellion".
Heute ist z.B. ein Interview mit Francesca von Habsburg über Rebellion in der Süddeutschen, "eine Frau ganz bei sich". Ich kannte sie vor dem Interview gar nicht. Jetzt kenne ich sie nicht wesentlich besser, aber habe einiges von ihr mitbekommen, insbesondere der kurze Satz über Entwicklung:
Man darf niemals denken, man wäre angekommen. In dem Augenblick hat man schon ausgecheckt.